Religion – Wozu überhaupt?
Religion – Wozu überhaupt?
Das Stift Klosterneuburg lud am 31. August zur ersten von zwei Podiumsdiskussionen zum Rahmenthema „Welche Rolle spielt Religion heutzutage?“, in Anlehnung an die aktuelle Ausstellung „Gotteskrieger“. Regina Polak, Lisz Hirn, Eytan Reif und Matthias Beck diskutierten kritisch das Thema: Religion - Wofür überhaupt? „Der Mensch muss mehr im Mittelpunkt stehen, Religion wird politischer, Religion war noch nie so irrelevant und Religion ist nicht bedeutungslos“ – die Meinungen waren vielfältig.
„Wir wollen ein Ort des Gespräches sein“, so Maximilian Fürnsinn Can.Reg., Administrator des Stiftes Klosterneuburg und Initiator dieses offenen Dialogs in seiner Eröffnungsrede. Moderatorin Mag.a Dr.in Maria Harmer (Sozial- und Kulturanthropologin, freie Journalistin) führte durch den Abend. Am Podium diskutierten Assoz.-Prof. MMag.a Dr.in Regina Polak MAS (Pastoraltheologin, Religion- & Werteforscherin), Mag.a Dr.in phil. Lisz Hirn (Philosophin, Autorin und Dozentin), Univ.-Prof. Mag.
DDr. Matthias Beck (Moraltheologe) und Mag. Eytan Reif (Mitbegründer der Initiative Religion ist Privatsache).
Mag.a Dr.in Maria Theisen (Historikerin, Kuratorin der Ausstellung „Gotteskrieger“) verwies in ihrem Impulsvortrag auf die Krisenjahre im 15. Jahrhundert, die zu den Hussitenkriegen führten und sieht Parallelen zu heute. „Die Gesellschaft polarisierte sich, weil die Kirche als Stütze versagte. Religion hat aber die Fähigkeit, Sinn und Ziel zu geben, spirituell zu begleiten und Zufluchtsort zu sein.“
Es war eine spannende Diskussion und dass das Thema sehr weitreichend ist, darüber war sich die hochkarätige Diskussionsrunde einig. Religion verliert einerseits an Bedeutung, anderseits nehmen fundamentale Strömungen zu und die Relevanz in der Politiksteigt. Die Kirche ist im Umbruch, wird aber trotz manchem Zweifel bestehen bleiben.
Assoz.-Prof. MMag.a Dr.in Regina Polak MAS verwies darauf, dass Zahlen einen Rückgang in das Vertrauen in Gott belegen, es aber einen Transformationsprozess im europäischen Raum gäbe.
„Religion wird mehr in die Politik implementiert, wie beispielsweise betreffend Menschenrechte. Sie ist im Umbruch und wird politischer.“ Auch innerhalb der Kirche wird ihrer Meinung nach um die „richtige Religion gekämpft, wie zum Beispiel beim Thema Paarbeziehungen. Durch neue Erkenntnisse werden alte Texte in neuem Licht gesehen, das sei ein normaler Prozess und hat in allen Religionen Tradition. „Eine religiöse Gemeinschaft kann nur glaubhaft agieren kann, wenn sie sich selbst immer wieder auf den Prüfstand stellt. Religion ist ein Menschenrecht, kann positiv oder negativ sein, ist aber nicht bedeutungslos.“
Mag.a Dr.in phil. Lisz Hirn, befürwortet einen Ethikunterricht an Schulen und sieht die Jugend sehr geteilt. Religion spielt vor allem bei muslimisch geprägten Jugendlichen eine Rolle, wobei viel Unwissenheit darüber herrscht. Sie stellte im Zuge ihrer Arbeit mit Jugendlichen fest, dass es hier mehr um Identität und Gruppenzugehörigkeit geht. Die Tendenz in muslimischen Ländern geht in Richtung Erstarkung der Religion. Aber auch hier sieht sie eine Politisierung der Religion. Jedoch ist zwischen einer gläubigen und einer auf sozial-politischen Druck reagierenden Form des Islam, wie der Kopftuch-Debatte, zu unterscheiden. Sie sieht die Religion nicht vergehen. „Viele Probleme resultieren erst aus dem 19. Jahrhundert. Durch nihilistische Strömungen kommt es jedoch zur stärkeren Radikalisierung.“
Univ.-Prof. Mag. DDr. Matthias Beck setzte vor 10 Jahren den Wunsch Priester zu werden in die Tat um und sieht hinter einem grassierenden Atheismus vor allem ein „schlecht vermitteltes Christentum“. Die christlichen Ansätze zur Menschenwürde seien heute in Europa in Gesetze gegossen „das Innenleben verwahrlost und wird nur noch von Psychologen abgedeckt“ Für ihn gilt es, mehr den einzelnen Menschen zu betrachten. „Die Probleme sind hier zu lösen und warum suchen Menschen Gott? Weil es ihnen dann besser geht. Gemeinschaft ist wichtig, das Individuum darf aber nicht vergessen werden.“ Wir brauchen Gemeinschaft, aber es kann auch, wie beispielsweise beim Kommunismus, überinterpretiert werden. Wichtig ist für ihn der Mensch, der voller Fragen und Sorgen ist.Religion und religiöse Rituale geben einen Rhythmus. Der fehlt seiner Meinung nach vielen Menschen, sie sind leer, wie die steigende Zahl an Depressionen und Burn Out zeigt.
Mag. Eytan Reif sieht Religion als reine Privatsache und sollte aller Privilegien enteignet werden.
„Religion war noch nie so irrelevant.“ Dass die Kirche den Humanismus und Themen wie Umweltschutz übernommen hat, ist löblich, deutet für ihn aber auf jenen Wertenihilismus hin, den man Atheisten vorwirft. „Religion ist nicht immer gut“ und könne durchaus „gute Menschen Schlechtes tun lassen“, wie dies in der Ukraine, durch den orthodoxen Patriarchen, vor Augen geführt wird. Vermeintliche Pluspunkte der Kirche, wie die Caritas, basierten hauptsächlich auf Spenden oder öffentliche Unterstützung. „Menschenhelfen, nicht die Kirche“. Er spricht sich für einen Ethikunterricht in Schulen aus, nicht jedoch als „Zwangsersatz“, sondern für alle Kinder und Jugendliche.
Im Anschluss an die Veranstaltung wurde noch mit dem Publikum im kleineren Rahmen bei Wein, Wasser und Brotweiterdiskutiert.
II. PODIUMSDISKUSSION
Die zweite Podiumsdiskussion findet am 7. September 2022 um 19.00 Uhr, wieder im Augustinussaal des Stiftes Klosterneuburg, statt. Das Thema: Im Kampf für Gott. Weltreligionen und Gewalt(losigkeit) – angesichts von Kriegen.
Der Eintritt ist frei, Anmeldung unter groups@stift-klosterneuburg.at.
Video Liveübertragung unter: www.stift-klosterneuburg.at
AUSSTELLUNG GOTTESKRIEGER
Stift Klosterneuburg: 29. April – 15. November 2022
T.: +43 2243 411-212, E: groups@stift-klosterneuburg.at
3400 Klosterneuburg, Stiftsplatz 1
Fotos u. Copyright: Stift Klosterneuburg
Stift Klosterneuburg
Walter Hanzmann – Pressesprecher
T: +43 2243 411-182, M: +43 676 / 447 90 67
E: presse@stift-klosterneuburg.at
Grassmugg GmbH
Eva Grassmugg
T: +43 3182 299 80
E: e.grassmugg@grassmugg.com
Pressetext- u. Fotoarchiv: www.grassmugg.com